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Aus: Rüdiger Zymner und Manfred Engel (Hgg.): Anthropologie der Literatur. Poetogene Strukturen und ästhetisch-soziale Handlungsfelder. Paderborn: mentis 2003, S. 30-48.


Karl Eibl

Adaptationen im Lustmodus

Ein übersehener Evolutionsfaktor


1. Biologie und Kunst

 

Der Einblick in den Zusammenhang von Biologie und Poesie, den ich im folgenden zu geben versuche,[1] betrifft die poetogene Rolle der Biologie in einem nachdrücklichen Sinn. Aus ausschließlich biologischer Perspektive gibt es keine Kunst und keine Poesie. Kunst ist ein kulturelles Phänomen, und es ist sogar fraglich, wie weit sie kulturell universell ist – ob wir nicht dazu neigen, ähnliche Phänomene anderer Völker und Kulturen etwas herrisch unter unserem Begriff der Kunst oder Poesie zusammenfassen. – Ebenso aber ist zu betonen: Es gibt biologische Dispositionen, die die uns vertrauten Phänomene Kunst und Poesie ermöglichen, und biologisch begründete Funktionen, die sie unter bestimmten Bedingungen sogar erzwingen. Um diesen Zusammenhang geht es im Folgenden.

Ich setze an bei der Soziobiologie,[2] dem derzeit ambitioniertesten Ansatz einer biologischen Erklärung sozialer oder kultureller Phänomene. Es gibt inzwischen zwei Sammelbände, in denen soziobiologische Analysen von Kunst und Literatur vorgelegt werden.[3] Die Beiträge folgen zumeist der Maxime, daß Kunst, wenn sie denn eine biologische Adaptation ist, in irgendeiner Weise das Überleben und die Fortpflanzung begünstigt haben muß. Das ist gewiß richtig. Aber die dadurch angeleitet Nutzensuche nimmt manchmal etwas manische Züge an, verschmilzt zuweilen ununterscheidbar mit kunst-apologetischen Bemühungen, wie sie von wirtschaftlichem Utilitarismus und religiösem Puritanismus der Heimat der meisten Beiträger gleichermaßen nahegelegt werden. Beabsichtigt ist ein „antidote to views that the arts are useless and meaningless, which is the prevailing received opinion today“[4] Gezeigt werden soll „namely that the arts perform some sort of vital role in determining our evolutionary fate“.[5] Geschichten, so erfahren wir unter diesem Aspekt, können eine abschreckende Wirkung haben; sie können eine belehrende Wirkung haben; sie können Verhalten einüben.

Ich will diese Dimension des Literarischen keineswegs abwerten. Aber ich will auf eine andere zusteuern. Was den soziobiologischen Literaturtheoretikern fast ausnahmslos fehlt, ist der Sinn für das Vergnügen an der Literatur, für die Freude, die sie zu vermitteln vermag, den Genuß. Zwar gehören die Inhalte, die die Literatur auf Grund der Spezifik ihres Materials zu vermitteln vermag, ganz wesentlich zu ihrer Konstitution. Aber darüber hinaus gibt es auch ein Phänomen, das uns all diesen erfundenen Geschichten überhaupt anhängen läßt und das die Literatur mit den anderen Künsten gemeinsam hat: die Lust.

Auch ein Symphoniekonzert ist ein empirisches Faktum der Kunstwelt. Welchen Überlebens- oder Fortpflanzungsvorteil mit genetischem Selbstverstärkungseffekt hat es? Es belehrt uns nicht, schreckt uns nicht ab, übt nichts ein. Gelegentlich mag es als Treffpunkt oder als Anlaß zum Imponieren der Reproduktion dienlich sein, aber man wird das kaum als die zentrale Funktion ansehen. Zentral ist vielmehr: Das Konzert macht uns Gefühle, die wir gerne empfinden. Und das gilt auch für die anderen Künste, selbst für die Tragödie. Mag sein, daß wir ihr auch noch eine Art von propositionalem Gehalt entnehmen können und über den Lauf der Welt oder das Verhältnis der Geschlechter belehrt werden. Aber das ist es nicht, was uns ins Theater (oder ins Kino) lockt. – Wie, wenn ›reine‹ Kunst (Bachs Kunst der Fuge) tatsächlich nichts mit Evolution zu tun hätte? Nicht in dem strikten Sinne zumindest, daß das genetische Programm in einer positiven Rückkopplung seine eigene Vervielfältigung unterstützt.

Die Frage wird auch unter biologisch orientierten Wissenschaftlern kontrovers gesehen: Ist Kunst überhaupt als Kunst ein Produkt der Evolution? Stephen J. Gould, Biologe, doch verbissener Gegner von Soziobiologie und Evolutionärer Psychologie, hatte den biologischen Erklärungsversuchen von Kunst und Kultur seine ›Spandrel‹-Theorie entgegengehalten, die sie zu einem Nebenprodukt der Evolution machte.[6] Auch Steven Pinker, der im Gegensatz zu Gould unter die evolutionären Psychologen zu rechnen ist, meint, Kunst sei ein zweckneutrales Nebenprodukt der Evolution, eine „Lusttechnologie“, die dritte neben der feinen Küche und der Pornographie.[7] Sie sei so etwas wie „Käsekuchen mit Erdbeeren“ für den Geist. Besonders hat es ihm die Musik angetan. Sie sei „ein Cocktail von Entspannungsdrogen, den wir über das Ohr zu uns nehmen, um eine Fülle von Lustschaltkreisen auf einmal zu stimulieren.“[8] So weit kann man Pinker sicherlich folgen: Unter Kulturbedingungen werden bestimmte biologische Dispositionen offenbar aus unmittelbaren Zweckzusammenhängen heraus in den Status einer Art von Autonomie gerückt. Zumindest eine Art ›Leerlauf‹ von biologischen Appetenz- und Verhaltensmustern ist anzunehmen, und es wird zu fragen sein, wie solcher Leerlauf eigentlich mit dem Ernstfall zusammenhängt.

Aber wie das zugeht und was damit aus den Dispositionen wird, hat Pinker nicht erklärt. Er hat, quasi als Schmuggelware, den Begriff der Lust eingeführt und kann damit rechnen, daß dieser Begriff sein Überzeugungswerk tun wird. Aber wenn er Lust behandelt, als sei sie etwas außerhalb des evolutiven Geschehens, gleichsam ein unverdientes Geschenk der Natur, dann greift er zu kurz. Auch Lust ist kein Letztbegriff, sondern muß der evolutionsbiologischen Bewährungsfrage ausgesetzt werden: Wofür ist Lust gut?

 

 

2. Der Streß-Lust-Mechanismus

 

Oder gleich korrekt: Wofür war Lust gut?

In den letzten anderthalb Jahrzehnten hat sich aus der Soziobiologie ein neues psychologisches Paradigma ausdifferenziert, die Evolutionäre Psychologie. Obwohl sie ihre Grundlagen mit der Soziobiologie teilt, ist sie vor allem durch zwei Eigenarten von ihr abgehoben: Sie begreift sich als psychologische Disziplin, die gelegentlich auch Hilfe bei der Biologie sucht, nicht umgekehrt. Und sie hat einen der Grundgedanken in den Rang eines leitenden Paradigmas erhoben: Unsere psychische Grundausstattung hat sich im wesentlichen unter den Bedingungen des Pleistozäns, d. h. der Zeit vor 2 Millionen bis etwa 10 000 Jahren entwickelt (oder, so weit es sich um noch ältere Ausstattungen handelt, bewährt).[9] Wenn wir also von ‚anthropologischen Konstanten’ in einem psychologischen Sinne reden, impliziert das immer die Rückfrage: Wozu war diese oder jene Eigenschaft (Anpassung, Adaptation) damals gut? Mag sein, daß sie auch heute noch die gleiche Funktion erfüllt, aber selbstverständlich ist das keineswegs.[10] – Zu fragen ist also: Wozu war so etwas wie ästhetische Lust, ja womöglich ›interesseloses Wohlgefallen‹ in der Altsteinzeit gut und hat damals das Überleben und die Fortpflanzung begünstigt?

Für die Antwort muß ich einen kleinen Umweg gehen, nämlich über das Phänomen des Streß. Aber nicht des Streß in der modernen Welt. Das ist nochmals hervorzuheben, weil es offenbar eine gewisse Automatik gibt, die uns beim Wort ›Streß‹ an Gegenwartsphänomene denken läßt. Aber als Evolutionsfaktor kommt der moderne Streß ohnedies nicht in Frage. Es geht um pleistozänen Streß und dessen Selektionswirkung bei der Entstehung von kulturrelevanten Adaptationen.[11]

Streßreaktionen sind vor allem eine Spezialität der Wirbeltiere:[12] Die Fähigkeit, bei Gefahr bestimmte Stoffe (namentlich Cortisol, Corticosteron, Adrenalin, Noradrenalin) an das Blut abzugeben, die die letzten Reserven mobilisieren. So werden Blutdruck und Atemfrequenz erhöht, der Herzschlag wird verstärkt, insgesamt wird die Skelettmuskulatur (die man zum Hauen und Rennen braucht) verstärkt durchblutet, Zuckerreserven aus Leber und körpereigenem Eiweiß werden verfügbar gemacht, die Gerinnungsfähigkeit des Blutes steigt an. Zugleich aber wird der Magen-Darm-Trakt vermindert durchblutet, die Keimdrüsen stellen ihre Arbeit ein, die Immunreaktionen werden vermindert. Streß kann also das entscheidende letzte Quentchen an Kraft mobilisieren. Es ist eine evolutionär sehr präzis auf kurzzeitige Leistungsanforderungen ausgerichtete Adaptation.

Dauerstreß hingegen führt zu starken Einbußen der Lebens- und Fortpflanzungsfähigkeit. Das ist an verschiedenen Tierarten beobachtet worden, die gesellig leben. Vor allem an Nagetierpopulationen konnte festgestellt werden, wie sich mit zunehmender Populationsdichte sozialer Streß entwickelt, die Aggressivität zunimmt, ebenso Unfruchtbarkeit und Infektionsanfälligkeit, Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herz- und Nierenschäden. Über Primaten wird berichtet

daß Tiere, die in der sozialen Hierarchie weit unten angesiedelt sind, eine Vielzahl von Streßfaktoren aushalten müssen – Schikanen, Angriffe, Probleme, sich vor Raubtieren zu verbergen – , die dominanten Tieren erspart bleiben. Diese ›streßgeschädigten‹ Affen haben abnorm erhöhte Glukokortikoidspiegel. Sapolsky hat die Gehirne von mehreren untergeordneten Affen untersucht, die nach längerem sozialem Stress starben, und stellte eine erhebliche Hippocampusdegeneration fest. (In den Gehirnen einer nichtgestressten Kontrollgruppe von Affen lag keine solche Schädigung vor.)[13]

Schon Charles Darwin hatte zwar nachdrücklich betont, dass der „struggle for life“ keineswegs immer ein Kampf zwischen Individuen sei, sondern daß zum Beispiel auch eine Pflanze am Rand der Wüste sich im Kampf um ihr Dasein befinde.[14] Trotzdem verknüpft sich der Gedanke des „struggle for life“ mit der Vorstellung blutiger Konkurrenzkämpfe. Aber nicht einmal die Vorstellung des Verhungerns wird vermutlich der Realität der Selektion voll gerecht. Daneben gibt es noch eine ›stille‹ Selektion, die womöglich noch wirkungsvoller ist: Wenn die Ressourcen knapp sind, führt das zu Dauerstreß. Ehe die Tiere verhungern oder sich in der Nahrungskonkurrenz gegenseitig töten, sterben sie an Folgeschäden des Dauerstreß, an Infektionskrankheiten oder werden einfach unfruchtbar. Davon konnte Darwin noch nicht wissen: „daß die höheren Tiere einen Mechanismus in sich trugen, der den Trägern ungeeigneter Verhaltensprogramme Unfruchtbarkeit und Untergang bescherte.“[15]

Wer die besseren Methoden zur Bewältigung von Dauerstreß hat, hat via Immunsystem und sexuelle Aktivität einen direkten Überlebens- und Fortpflanzungsvorteil und wird seine Bewältigungsmethoden vermehrt weitergeben können.[16] Fürs Überleben entscheidend ist nicht nur die ›technische‹ Ausrüstung, sondern auch die psychische Bewältigungskapazität, die Fähigkeit zur Entspannung (Relaxation) in einem hervorgehobenen Sinn. Die Mittel, die bei der Bewältigung von Streß halfen, wurden als Adaptationen verstärkt – stecken noch heute in unserer psychischen Ausstattung.

Damit ist ein Mechanismus gefunden, dessen Bedeutung weit über en Bereich des Ästhetischen hinausreicht und von den Evolutionsbiologen generell zu wenig beachtet wird. Er kann in seiner ganzen Tragweite hier nur als Merkposten verzeichnet werden. Immer wieder einmal hören wir aus fachkundigem Mund Äußerungen des Inhalts, „daß das Glück kein Ziel der Evolution sein kann. Ultimat geht es immer nur um Fitness, proximat mag das Glück als Begleiteffekt eine Rolle spielen“.[17] Nein, das Glück ist nicht nur ein Begleiteffekt, sondern wirkt unmittelbar als Fitness-Faktor. Der Überlebens- und Fortpflanzungswert von Sexualität, Fähigkeit zur Kinderaufzucht und Kooperation liegt nicht nur im direkten reproduktiven Nutzen, sondern auch in der streßbewältigenden, entspannenden Funktion von Zärtlichkeit und Zuwendung. Das Grooming der Affen,[18] doch auch die vielfältigen anderen Fell-, Haut- und Schleimhautberührungen, die wir bei Tieren oder Menschen als Faktoren der Behaglichkeit und des Wohlbefindens auffinden können, haben hier ihren Platz. Wenn es im Umgang mit den Kindern nur um Unterrichtung ginge, brauchten wir sie nicht zu küssen und zu streicheln, aber es geht um noch anderes.[19] Auch die Fortpflanzungstätigkeit ist in den meisten Kulturen mit ›überflüssigen‹ Handlungen und Worten verbunden, deren Sinn es ist, einander gute Gefühle zu machen. Man liest z. B. immer wieder (mit Variationen), daß das menschliche Lächeln aus einem ursprünglichen Zähnefletschen herzuleiten ist, das in eine Geste der Submission umfunktioniert wurde, mit der Aggressionen vermieden werden. Mag ja sein, aber vor allem kann ein freundliches Gesicht Wohlgefühl, Wärme und Entspannung vermitteln, und deshalb ist es evolutiv erfolgreich gewesen. Der Klauen-und-Zähne-Darwinismus des 19. Jahrhunderts hat das nicht in den Blick bekommen, und die Nachfahren, die mit darwinistischen Parolen den Sieg des Kapitalismus feiern, folgen ihm mit dieser Blindheit nach. Das menschliche Glückbedürfnis ist kein evolutiver Unfall. Glück, Freude, Wohlbehagen, sagen wir das altmodische Wort: soziale Wärme waren via Streß-Lust-Mechanismus entscheidende Evolutionsfaktoren, und deshalb sind wir alle Glückssucher.[20]

Ein zweiter Kreis von streßmindernden, entspannenden Faktoren sind Informationen, die ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Ob diese Informationen richtig sind oder falsch, ist auf Streß-Ebene von zweitrangiger Bedeutung. Hier sind Placebos so gültig wie ›echte‹ Gegenmittel. Ätiologische Mythen verringern die Rat- und Hilflosigkeit, geben vielleicht sogar Hinweise darauf, wann alle Not ein Ende hat und was man dafür tun kann. Da liegt ein wichtiger Ursprungsgrund nicht nur der Kurpfuscherei, sondern auch der Religionen: Sie geben, wie Luhmann das ausgedrückt hat, eine Simultanthematisierung von Bestimmtem und Unbestimmten, sie codieren das Nichtwissen auf eine Weise, daß es wie Wissen aussieht. Volker Sommer hat pointiert: „Naiver Glaube an Gott – ob Fiktion oder nicht – dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit besser für das Immunsystem sein, als akademisches Studium – gleich ob der Biologie oder Theologie.“[21]

Und dem wäre dann das hinzuzugesellen, was als Bereich der ästhetischen Lust biologisch festgemacht werden kann. Wenn ein besonders begabter Homo erectus oder sapiens spannende Geschichten erzählt oder einem getrockneten Schafsdarm seltsame Töne entlockt, wenn man Spottlieder über die ängstlichen Nachbarn singt und in gemeinsamen Spielen den Leoparden und die Schlange imitiert und tötet, dann hat das alles diese evolutive Wirkung: Die Gemüter werden entspannt, das Immunsystem wird gestärkt, und auch die Keimdrüsen tun wieder ihre Schuldigkeit. Das ist der Ursprung der Adaptationen, auf denen die ›höhere‹ Kultur beruht. – Ich werde die Ausführungen im weiteren auf die Bedeutung der Lust konzentrieren.

Die Literaturwissenschaft hat sich mit dem Begriff der Lust immer etwas schwer getan, nicht nur aus Prüderie, sondern aus ehrenwerten methodischen Gründen.[22] Dieser Begriff taucht gerne als Letztbegründung auf, die Lust kommt von der Lust, sie konnte allzu leicht als unhintergehbare letzte Ursache angeführt werden, die man wiederum allein aus dem Verursachten selbst erschließen konnte eine zirkuläre Scheinerklärung also, wie sie allen Trieb- oder Instinktlehren vorzuwerfen ist, die nicht auch die Triebe oder Instinkte ursächlich verankern. Seit den 70er Jahren haben sich die Voraussetzungen aber geändert. Es wurden immer mehr Hinweise darauf entdeckt, daß ›Lust‹ ein physiologisches Korrelat hat.[23] Es gibt ein endokrines Lust- und Belohnungssystem (das ›dopaminerge Belohnungssystem‹). Damit ist ›Lust‹ zu einem Begriff mit Erklärungswert geworden. Und als wichtiger Faktor der Streßbewältigung ist Lust auch selbst evolutionär erklärt. Das Belohnungs- oder Verstärkungssystem klopft uns bei allen nützlichen Verrichtungen noch zusätzlich auf die Schulter. Und sogar wenn wir Unnützes tun, kann es sein, daß es uns belohnt. So entsteht in uns ein Zustand, den man mit Fug als „interesseloses Wohlgefallen“ bezeichnen kann.[24]

 

 

3. Spiel und Lust

 

Einen wichtigen evolutionsbiologischen Ansatz für die Erklärung der Lust am Spiel haben insbesondere Leda Cosmides und John Tooby, die führenden theoretischen Köpfe der Evolutionären Psychologie, gegeben. Sie unterscheiden den Funktionsmodus (›functional mode‹) einer Anpassung von ihrem Organisationsmodus (›organizational mode‹).[25] Der Funktionsmodus betrifft die Ausübung der voll ausgebildeten Form einer Anpassung, also z. B. Sprechen, Fliegen, Riechen. Der Organisationsmodus ist eine unmittelbar zweckfreie Betätigung der Anpassung, die jedoch einem mitelbaren Zweck dient. Wenn der Vogel scheinbar grundlos die waghalsigsten Flugmanöver vollführt, dann erwirbt er damit im Organisationsmodus ein Können, das ihm im Funktionsmodus die Flucht vor einem Raubfeind ermöglicht. Hierher gehört der ganze große Bereich des Spiels, der lustvollen Betätigung von Adaptationen ohne Bezug auf eine reale Zielhandlung. Damit bekommt der obskure ›Spieltrieb‹ eine funktionale Begründung im Organisationsmodus. Ich werde allerdings dem Organisationsmodus einen zweiten Namen geben, nämlich den des Lustmodus.

Schon beim Spiel der Tiere dürfen wir annehmen, daß eine Lust an Erregtheit, am Freilauf und der kreativen Kombination von Teilen ererbter Verhaltensprogramme am Werke ist. Nicht viel anders ist es beim kindlichen Spiel der Menschen. Doch kommen hier weitere Elemente hinzu. Schon das Versteckspiel beruht auf kognitiven Leistungen, die man wohl nur bei wenigen Tieren voraussetzen kann, auf einem Pakt über eine einverständige Täuschung. Noch eine Stufe weiter führt das Spielen von Rollen. Grundsätzlich ist zwar auch der Verfolger oder der Fliehende eine solche Rolle, und das kennen wir auch aus dem Tierreich. Wenn der Verfolger aber als der ›große böse Wolf‹ erscheint und der Verfolgte als ein Geißlein, das sich im Uhrkasten versteckt, wenn Indianer und Trapper, Edelmenschen und Schurken aufeinander treffen, dann befinden wir uns in der Welt der Erzählungen.[26] Damit aber gibt es eine dramatische Erweiterung möglicher Spielpartituren, und zwar eine Erweiterung ins Sozial-Kulturelle und ins Künstlerische. Und noch eine Besonderheit ist namhaft zu machen: Menschen können auch sehr engagiert anderen beim Spiel zusehen (Tiere wollen gleich mitspielen).[27] Damit sind drei zumindest in ihrem Ausmaß spezifisch menschlichen Fähigkeiten für den Bereich des Spiels aktiviert: Die Vergegenständlichung, die regelnde Narrationen als Spielgerüst ermöglicht, die Fähigkeit zum Hiatus bis zum gänzlichen Aussetzen der eigenen Handlung, und ein besonders hohes Maß an Empathie. Das ist nicht nur die Welt des Fußballspiele, sondern auch die des Dramas, und wenn man der Imaginationskraft der Zuhörer genügend zumutet, auch der epischen Gattungen. —

Ich habe dem Organisationsmodus einen zweiten Namen gegeben, der die selbständige Motivation betont: Lustmodus. Der Organisationsmodus hat den evolutionären Zweck, Fertigkeiten unterschiedlichster Art einzuüben; der Lustmodus ist im Hinblick auf mögliche Fertigkeiten ›zweckfrei‹, dient allerdings auf einer zweiten Ebene dem Streßabbau. Diese zweite evolutionäre Funktion wird unmittelbar, ohne den Hebel anderer ›nützlicher‹ Adaptationen, allein durch den unmittelbaren physiologischen Effekt erreicht. Also nicht etwa dadurch, daß Lust die Kreativität steigert und damit wiederum die Geschicklichkeit bei der Bewältigung von Lebensproblemen. Das ist sicher auch der Fall, wie Lust denn auch soziale Spannungen mildern, Reserven beim Wandern mobilisieren kann und was dergleichen erfreuliche Nebeneffekte sonst sind. Aber das evolutionär Wichtigste ist, daß Lust direkt der Infektionsabwehr und der Arbeit der Keimdrüsen auf die Sprünge hilft. – Lust dient also der Adaptationsfunktion ›Lernen und Üben‹ und der Adaptationsfunktion ›Streßbewältigung‹.

Man kann demnach das Problem, wie das zweckfreie Spiel der Kunst mit dem biologischen Nutzenkalkül zu verknüpfen sei, dadurch lösen, daß man es spaltet. Kunst ruht auf Dispositionen auf, die sowohl bei der Streßbewältigung als auch bei der Ausreifung der Adaptationen gewirkt haben. Im aktuellen Handeln aber ist die Bewegkraft der Lust am Werke, ohne daß die handelnden Individuen an Fortpflanzung und Infektionsabwehr oder Hirntraining dächten.[28]

Was so entsteht, ist ›Unterhaltung‹. Eine Anregung und Bewegung unserer Gemütskräfte, die weder den Anspruch stellt, über etwas zu informieren, noch den, irgendwelche Probleme zu lösen. Da wir beim Blick auf die lustbegründeten Aktivitäten unseres Gehirns vor allem von eigenen Vorlieben geleitet werden, nehmen wir sie selten in ihrem ganzen Umfang wahr. Es ist ein riesiger Bereich: Vom Symphoniekonzert bis zum Popkonzert und zur Blaskapelle, live, auf der CD und im Radio, vom Hamburger bis zum Hummer, vom Minigolf bis zu sämtlichen Europa-, Welt- und sonstigen Meisterschaften in allen Disziplinen (aktiv und passiv), die ganze Ferienindustrie, Kino und Theater, das unentbehrliche Fernsehen, Bücher und Zeitschriften, Sex ohne Fortpflanzungsabsicht und … und … und … Gewaltige Räume entlasteter Reflexion, strukturiert durch leerlaufende Algorithmen verschiedenster Art. Wenn zwei Mannschaften darum kämpfen, einen Ball in einen viereckigen Kasten zu kicken, dann reichen die beteiligten Dispositionen zurück in Zeiten der Stammes- und Jagdkonkurrenz. Aber schon damals konnten, ja mußten sie im Lustmodus geübt werden, im Sinne des Organisationsbedarfs, und konnten zugleich eine Vielzahl von Adaptationen auf streßmildernde Weise bewegen, von der körperlichen ›Funktionslust‹ über die kontrollierte Übung aggressiven Verhaltens bis zur Freude am Glücken von Kommunikationsprozessen bei erfolgreichen Spielzügen. Auch der Verzehr von Käsekuchen mit Erdbeeren beim Nachmittagskaffee spielt sich im Lustmodus uralter Adaptationen ab, die uns Zucker und Fett besonders schätzen ließen, und mit Hilfe von Zucker und Fett verschaffen wir uns auch heute noch das Gefühl von Festlichkeit und Überfluß. Hier genießen wir den Freilauf unserer genetischen Dispositionen, die uns die Evolution zur Lösung vitaler Probleme anselektiert hat. Immer wieder, vom heiligen Augustinus bis zum heiligen Adorno, wurde solche Unterhaltung getadelt. Doch wenn die Menschen ununterbrochen an den Tod, die Kinder in der Dritten Welt und ihre Steuererklärung dächten, würden sie bald aussterben.

 

 

4. Kognitionslust: Entpflichtete Rede

 

Es gibt eine Differenz der Sprachkunst zu den anderen Künsten, die beachtet werden will. Eine lustorientierte Handhabung von Sprache kann sich nicht auf den Sinnesapparat zurückziehen. Gewiß kann auch die Malerei oder die Musik mit semantischen Elementen operieren, kann Heilige oder Landschaften malen, kann Gebete oder dramatische Darstellungen emotional stützen. Aber grundsätzlich können diese Künste sich auf ihre Basis im sinnlichen Material und der Betätigung des apriorischen Wahrnehmungsapparates verlassen und die semantische Dimension als bloß zufällig denunzieren oder gar verlassen. Das gilt für die abstrakte Malerei ebenso wie für die religiöse Kunst des Islam und die ›absolute‹ Musik. Vielleicht ist der implizite Hinweis auf diese Möglichkeit sogar etwas, das z. B. der religiösen ›semantischen‹ Malerei eines Tintoretto oder Tizian ihre eigentliche Dramatik gibt.

Ein sinnliches Material der Sprach-Kunst aber gibt es nicht. Man kann sich natürlich auch am Spiel der Sprachlaute erfreuen. Hierher gehört z. B. die Brabbel-Freude kleiner Kinder, die auf der Betätigung des Organisationsmodus beruht. Aber das ist eine Lust an der Betätigung der Sprechwerkzeuge, selbst wenn diese Sprechwerkzeuge satzähnliche (aber sinnlose) Sequenzen bilden, keine Lust am Gebrauch der Sprache. Lust an der Sprache ohne semantische Dimension wäre keine Lust an der Sprache. Sie schließt immer schon die semantische Dimension ein, selbst da, wo sie sie verweigert. Wenn wir ein apriorisches Element annähernd vergleichbarer Ordnung suchen, stoßen wir auf den gesamten kognitiven Apparat, auf die Denk-, Gefühls- und Rededispositionen, die mit Sprache verknüpft sind. Es ist ›die ganze Welt‹, so weit sie semantisch repräsentiert ist.

Wenn dieser Apparat in den Lustmodus gesetzt werden soll, dann müssen wir ihn aus den Pflichten des realen Lebens entlassen, abkoppeln, entreferentialisieren. Die Mittel solcher Entpflichtung (mit Fremdwort: Emeritierung) sind höchst vielfältig. Man pflegt hier die Fiktionalität namhaft zu machen, und in einem summarischen Sinn ist das gewiß richtig. Doch es war schon darauf hinzuweisen, daß Fiktionen auch im Rahmen pragmatischer Argumentationen, etwa als Gedankenexperiment oder als Wenn-Dann-Exempel benutzt und sehr hart in die Pflicht genommen werden können. Sie ist zwar eines der Hauptmittel, wie eine Entpflichtung erreicht werden kann. Aber eben nur eines der Mittel. Daneben wären, nur beispielhaft, metaphorische Verfremdungen zu nennen, Reim und Vers, die der Rede eine besondere Note geben, Ironiesignale und sonstige Signale scherzhafter Rede.

Die Vergegenständlichungs-Leistung der Sprache findet hier ihre höchste Realisierung. Es ist möglich, Begriffe so weit von aktuellem Interesse zu befreien, daß die zugehörigen Emotionen ohne realen Anlaß empfunden und genossen werden können. Der Schauerroman und der Liebesroman dürften konsensfähige Beispiele sein, von den Emotionsbädern im Theater und Kino zu schweigen. Es ist aber auch möglich, Begriffe so weit von aktuellem Interesse und emotionalem Appell zu befreien, daß nur noch ihre Architektur wahrgenommen und reine Kognitionslust empfunden wird. Das ist schon bei jedem gelungenen Witz der Fall, bei jedem Rätsel, aber auch bei manchen referenzarmen oder gar -freien philosophischen Texten, etwa Martin Heideggers, oder im Detektivroman, der uns in Hochspannung versetzen kann, ohne uns in irgendeiner Weise ›ans Herz‹ zu gehen.

Das bedeutet, daß der gesamte sprachlich verfügbare emotional-kognitiven Apparat ›zum Klingen‹ gebracht werden kann, und zwar so, daß idealiter keinerlei referentielle Dimension beteiligt ist. Es wäre dann das Reich des puren Vergnügens und/oder der puren Unterhaltung, des puren Organisations- oder Lustmodus.

Wegen des semantischen Materials von Dichtung wird man das in dieser reinen Form aber als einen Grenzfall ansehen müssen. Wenn wir es nicht gerade mit transitorischen Erscheinungen wie Dada oder mit radikal ›konkreter‹ Poesie zu tun haben, haben die Wörter im Lustmodus immer eine doppelte Bedeutung, eine innerhalb der Welt, die der Text aufbaut, und eine rudimentäre, zuweilen ganz schwache, zuweilen aber auch mächtig anschwellende in der Welt außerhalb des Textes, in der wir leben. Verdis „Va’ pensiero“ aus Nabucco kann Emotionen urtümlicher Art in Bewegung setzen, die Situation des Exils, der Sehnsucht in der Fremde nach einem Ort, der als ›Heimat‹ gilt. Diese Emotionen können auch dann abgerufen werden, wenn wir gar nicht in der Fremde sind. Ähnlich werden wir von Liebesgeschichten angerührt, auch wenn es nicht die unseren sind, beben mit den Kämpfern um deren Lorbeer, freuen uns mit denen, die sich am Ende kriegen. Aber in der Situation des italienischen Risorgimento hatte „Va’ pensiero“ auch die Qualität einer inoffiziellen Nationalhymne mit provokativem Gehalt, und für den, der heute irgendwo in der Fremde lebt und empfänglich ist für solche Gedanken- und Gefühlsverknüpfungen, mag es noch immer die Sehnsucht nach einem ganz bestimmten Land formulieren. Auch zu Liebesgeschichten oder Kampfgeschichten kann man sich unschwer Wirklichkeitsreferenzen hinzudenken, ganz abgesehen von einer Vielzahl von Einzelinformationen über die Menschen, Tiere und Dinge, die auch in fiktionalen Erzählungen enthalten sind.

Es sind immer zwei äquivoke Informationsketten, die in solchen Texten dargeboten werden. Die eine ist weitgehend konsistent und sorgt für die Überkohärenz des betreffenden Textes (zum Beispiel als Plot), während die andere in unterschiedlichem Maße auf textexterne Wirklichkeit referiert. In jedem Fall sind es Aggregate von Aussagen, deren Geltung, Nichtgeltung, partielle Geltung, indirekte Geltung im Sinne der Scope syntax immer mit-kommuniziert oder zugeschrieben wird. Auch die entpflichtete Rede bleibt doch durchsichtig für die ›Wirklichkeit‹.

Man kann sich den Sachverhalt annähernd mit den herkömmlichen Mitteln der Grammatik zurechtlegen. Es gibt in der Formenlehre des Verbums die Kategorie des Modus, d. h. der Aussageweise, mit der der Sprecher eine Stellungnahme zu Wirklichkeitsgehalt oder Gültigkeit seiner Äußerung macht. Als Normalfall im Sinne einer Null-Methode kann man dabei den Indikativ ansetzen, mit dem die Wirklichkeit eines Sachverhalts behauptet wird. Daneben gibt es im Deutschen den Konjunktiv, mit dem man eine mögliche oder bedingte Wirklichkeit behauptet, und den Imperativ, mit dem eine gewünschte Wirklichkeit ausgedrückt wird. Diese nicht-indikativischen Modi sind das Ergebnis mancher kontingenten historischen Entwicklung. Der Konjunktiv z. B. ist im Deutschen seiner Semantik nach durchaus mehrdeutig. Andere Sprachen kennen andere nicht-indikativische Modi. Im Griechischen gibt es zusätzlich noch den Optativ, wie der Imperativ eine Wunschform, aber ein mildere, im Arabischen gibt es den Energikus, der einen sehr starken Wunsch ausdrückt, bei den Rihannsu (auch Romulaner genannt) gibt es einen Negativ für Nichtexistentes.[29] Doch ist die Verbflexion nur eine der Möglichkeiten. Ähnliche semantische Werte kann man durch die Verwendung von Modalverben (wollen, müssen, können …) oder Satzadverbien (vielleicht, vermutlich, gewiß …) ausdrücken und durch eine Vielzahl weniger standardisierter sprachlicher Realativierungsmittel.[30]

Immer geht es dabei um die Sprechereinstellung gegenüber der Wirklichkeit, um eine zusätzliche Information, die lautet: ›Das ist wirklich‹, ›das könnte so ein‹, ›das ist nicht so‹, ›so soll es sein‹, aber auch: ›das weiß ich aus eigener Anschauung‹, ›das hat mir einer erzählt‹ usw. Das sind zum Teil durchaus komplexe sprachliche Mittel, und wer der einfachen Aussage traut, wird leicht in die Irre geführt. Wenn zum Beispiel ein deutscher Text mit den Worten beginnt: „Es war einmal …“, dann müssen wir uns auf Wunderbares gefaßt machen, das ganz gewiß noch nie ›war‹ … Die Eipo in West-Neuguinea sind da ›korrekter‹. „Die Märchen erzählen im Modus der Möglichkeitsform, sie beginnen nicht, fiktiv versichernd: ›Es waren einmal zwei Männer…‹, sondern sagen: ›Da mögen wohl zwei Männer leben‹ […] Nicht immer, aber meistens über weite Strecken halten die Erzähler diesen Modus durch.“[31]

Wird der Lustmodus im Material der Sprache realisiert, dann wirkt er wie ein zusätzlicher nicht-indikativischer Modus. Auch der Lustmodus ist eine ›Aussageweise‹, allerdings, zumindest im Deutschen, auf einer anderen morphologischen Ebene als die Modi der Verbkonjugation. Ich nenne ihn trotzdem und in halbem Ernst analog zu den Verbmodi: den Emeritiv. – Damit bediene ich mich seiner zugleich. Das heißt: Wenn ich diesen ›Modus‹ der entpflichteten Rede ›in halbem Ernst‹ als Emeritiv bezeichne, ist das ein Beispiel für den Gebrauch des Emeritiv. Ich markiere einen Sachverhalt, hebe einen bestimmten Aspekt dieses Sachverhalts hervor, in der Hoffnung auf schnelle Verständigung, aber das geschieht mit einer explizit undogmatischen Attitüde der Vorläufigkeit, weil andernfalls gedankliche Konsequenzen übernommen werden müssten, die ich selbst noch nicht recht überblicke.

Allerdings ist das nur ein momentaner Einsatz des Modus. Zu voller Blüte kommt er erst, wenn man ihm ganze Erzählungen oder Handlungssequenzen anvertraut. Der Rede im Emeritiv steht die gesamte versprachlichte Welt noch einmal zur Verfügung, aber in einer gleichsam gekapselten Form. Das ermöglicht sehr subtile kommunikative Taktiken.

Volker Heeschen hat für die Eipo in Neu-Guinea, aber doch mit einem gewissen Allgemeinheitsgrad, formuliert, wie bei diesen kleinen Völkern mit ihren prekären sozialen Beziehungen die ›indirekte‹, d. h.: uneigentliche Rede hilft, Konflikte zu vermeiden.

The things that seem important to us are not talked about, or only in a very indirect manner. They are transferred to formalised and ritualised ways of speak­ing like songs, dancing-songs, and fairy tales. The open word offends. It requires resistance and action. […] The open word calls forth rage or shame. For this reason social criticism is bound in ritualised speech. Everyday talk, then, is pervaded by wordplay, quotations or allusions to songs, or is constantly devel­oped into para-oratory or para-songs.[32]

Solche Umwegstrategien bewirken, so Heeschen, eine „Hiatusvergrößerung“ auf seiten des Sprechers wie des Hörers. Die Gefahren direkter Konfrontation, die schnell eskaliert, werden dadurch eingedämmt. Wenn der Yalenang meint, bestohlen worden zu sein, dann singt er, allein am Abend, doch für alle hörbar, seine Anklage, daß jemand, den er nicht nennt, oder daß der, ›der jenem ähnelt‹, ihn bestohlen hat.[33] Heeschen deutet das als eine Form der Ritualisierung, und damit als ein

Auf-Distanz-Bringen von Emotionen, Antrieben und Absichten. Die Funktion dieses ›distancing‹ ist eindeutig die, daß Gesellschaft trotz wirklichen Fühlens und Handelns weiter funktionieren muß […] Für die Bruchzonen des sozialen Verkehrs in Kooperation, Wettstreit und Konfliktregelung bietet die ritualisierte Rede die Möglichkeit, das Unerlaubte und Gefährliche zu sagen und die Reflexion auf das eigene Sozialleben zu leisten.[34]

Derlei gibt es nicht nur in Neuguinea. Auch der gebildete Europäer hält sich an Dezenzregeln, spricht durch die Blume oder winkt, wenn der Partner harthörig ist, mit dem Zaunpfahl.

Generell kann man sagen: Die entpflichtete Rede ermöglicht es, über Dinge zu reden, über die man eigentlich nicht reden kann oder darf oder soll, über die man aber trotzdem reden will oder soll oder muß – warum auch immer. Oder in aller Kürze: Die entpflichtete Rede ermöglicht Sprechen über Unaussprechliches.

 

 

5. Ernste Scherze

 

Ein besondere Domäne der entpflichteten Rede sei zuletzt angesprochen. Ich bemühe dafür Immanuel Kant:

Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.

In diese Verlegenheit gerät sie ohne ihre Schuld. Sie fängt von Grundsätzen an, deren Gebrauch im Laufe der Erfahrung unvermeidlich und zugleich durch diese hinreichend bewährt ist. Mit diesen steigt sie (wie es auch ihre Natur mit sich bringt) immer höher, zu entfernteren Bedingungen. Da sie aber gewahr wird, daß auf diese Art ihr Geschäft jederzeit unvoll­endet bleiben müsse, weil die Fragen niemals aufhören, so sieht sie sich genötigt, zu Grundsätzen ihre Zuflucht zu nehmen, die allen möglichen Erfahrungsgebrauch überschreiten und gleichwohl so unverdächtig scheinen, daß auch die gemeine Menschenvernunft damit im Einverständnisse steht. Dadurch aber stürzt sie sich in Dunkelheit und Widersprüche, aus welchen sie zwar abnehmen kann, daß irgendwo verborgene Irrtümer zum Grunde liegen müssen, die sie aber nicht entdecken kann, weil die Grundsätze, deren sie sich be­dient, da sie über die Grenze aller Erfahrung hinaus­gehen, keinen Probierstein der Erfahrung mehr anerkennen. Der Kampfplatz dieser endlosen Streitigkeiten heißt nun Metaphysik.[35]

Diese sehr präzise Beschreibung steht am Beginn der Vorrede zur ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft von 1786. Sie formuliert die Erfahrung einer fundamentalen Inkongruenz von Frage- und Antwortvermögen.[36]

Wir verwenden Schlußverfahren, die zwar nicht „allen möglichen“, so doch den jeweils aktuellen „Erfahrungsgebrauch“ überschreiten und hinausschießen in eine Welt, von der wir (noch) nichts zuverlässig wissen, genau genommen nicht einmal, daß es sie gibt; wir erschließen ihre Existenz nur daraus, daß unsere bekannte Welt eine Grenze hat (und auch aus der historischen Erfahrung, daß schon früher jenseits der Weltgrenze sich ein neues Stück Welt aufgetan hat – aber auch das ist ein kühner induktiver Schluß vom Bekannten ins Unbekannte). Ich habe einmal versucht, das über die Wortprägung ›Nichtwelt‹ zu fassen; das scheint mir die Hauptcharakteristik dieses ›Gegenstandes‹, nämlich seine Leere, noch immer am besten zu fassen.[37] Im Mittelalter unterschied man in einem ganz handfest-physikalischen Sinn „die bewohnte Welt von der Nichtwelt, die terra cognita et culta […] von der terra incognita et inculta, der unbekannten, unbebauten, für den Menschen bedrohlichen und feindlichen Nichtwelt.“[38] Es bedarf keiner allzu großen Metaphernarbeit, um diese Figur auf unsere geistige Konzeption der Welt zu übertragen: Unser Erleben und Handeln ist begleitet von dem Wissen, daß alles auch irgendwie anders sein könnte, man weiß nur nicht wie, und daß die ›Welt‹ nur ein Weltausschnitt ist: außer der ›terra cognita et culta‹ gibt es auch die ›terra incognita et inculta‹, die Nichtwelt. Man könnte auch von Chaos sprechen, aber dann weniger im mathematischen als im alten mythologischen Sinn: Es ist die gähnende Leere des Noch-nicht-Geordneten. Oder, mit einem Wort Luhmanns, das Unbestimmte.[39] Auch die Welt/Nichtwelt-Grenze läßt sich an traditionelle Konzepte anschließen: Es ist die Grenze zwischen Immanenz und Transzendenz, freilich als Systemimmanenz und Systemtranszendenz rein formal und ohne metaphysische Implikationen definiert. Gleichwohl ist es die Wahrnehmung dieses Horizontes, die als Grundlage jeder religiösen Erfahrung gelten kann, von der Schamanenekstatik über die Existenzphilosophie bis zum Dekonstruktivismus. Wir ahnen, intuitiv, diffus, daß unser Weltmodell begrenzt ist: Daß es ein ›Jenseits‹ gibt.

Es war durchaus rationell, wenn die ›primitiven‹ Religionen dieses Jenseits nach dem Modell des Diesseits bevölkerten, also meinten, daß auch jenseits der Berge oder im Inneren der Erde Menschen leben, Früchte wachsen und die Sonne scheint – nur irgendwie anders. Denn das entspricht ja der evolutionär verankerten Gleichförmigkeitsvermutung, und daß dabei gelegentlich auch Ungeheuer und sonstige schreckliche Gefahren eine Rolle spielen, ist eine gleichfalls rationelle Vorsichtsklausel. Wir können uns einen frühen Zustand vorstellen, in dem das Nochnichtbekannte und das grundsätzlich nicht oder nur aus einer übernatürlichen Quelle (als ›Offenbarung‹) Erkennbare noch nicht geschieden waren. Auch da führten erst Differenzierungsprozesse dazu, daß schließlich das erste der Institution Forschung und das zweite der Institution Religion überantwortet wurde – mit machen Konkurrenzkämpfen als Folge. Metaphysik, wie sie im Kant-Zitat erwähnt wird, wäre dann eine dritte Instanz, doch von zweifelhaftem Wert: Der Versuch, begriffliche Strenge walten zu lassen, ohne den „Probierstein der Erfahrung“ heranzuziehen.

Es gibt aber noch eine andere Konsequenz, die vor allem seit den Tagen Kants in besonderem Maße gezogen wurde: Es ist die ästhetische Lösung des Totalitätsproblems. Hier erreicht der Gebrauch des Emeritivs, der Modus der entpflichteten Rede, seine höchste Würde. Die Fragen, die man nicht abweisen kann und die doch alles Vermögen der menschlichen Vernunft übersteigen, können so gleichwohl zur Geltung gebracht, in die Kommunikation eingeholt und intersubjektiv gemacht werden. Und dies nicht etwa in der Abstraktheit von Fragen nach dem Wesen der Zeit, der Zahl der Kategorien oder der Endlichkeit oder Unendlichkeit der Welt, sondern konkret am Material unabweisbarer, unlösbarer Lebensprobleme – der Probleme der Selbstbewahrung in der Gesellschaft, in der Liebe, Probleme des Leidens und des Todes, letztlich all jener Probleme, die durch die Sinnverweigerung des Realität entstehen. Sie können zu Kristallisationspunkten einer gestaltenden Aktivität werde, die ungeachtet der Unlösbarkeit der dargestellten Probleme in der Darstellung selbst noch einmal Schönheit als das Versprechen der Funktion und als das Versprechen von Ordnung aufleuchten lassen. Dichtung jedenfalls ist die Reaktionsweise, die als entschieden ›uneigentliche‹ Rede die Entpflichtung am weitesten treibt, ohne deshalb die Problemreferenz aufzugeben. Für diesen Zusammenhang hat Goethe vielleicht die prägnanteste Formulierung gefunden, im letzten Brief seines Lebens, an Wilhelm von Humboldt, als er den Faust „diese sehr ernsten Scherze“ nannte.[40]

 



[1] Die Überlegungen stehen im Zusammenhang eines Buchprojekts zur biologischen Kultur- und Literaturtheorie. Einige Lakonismen wird man dort aufgelöst finden.

[2] Bei Wilson und Dawkins, den Herolden der Soziobiologie, spielen Kunst oder Literatur keine besondere Rolle. Für Literatur einschlägig: Edward O. Wilson, On Art, in: Brett Cooke und Frederick Turner (Hgg.), Biopoetics. Evolutionary Explorations in the Arts. Lexington 1999, S. 71-96, ein Florilegium bedeutender Worte des Meisters. Es folgt dort eine Auslegung durch den Jünger Cooke, Edward O. Wilson on Art, S. 97-118. – Richard Dawkins, Der entzauberte Regenbogen. Wissenschaft, Aberglaube und die Kraft der Phantasie. Deutsch von Sebastian Vogel. Reinbek 2000 [Unweaving the Rainbow, 1998]. Der Titel bezieht sich darauf, daß Keats Newton vorgeworfen hatte, er habe die Poesie des Regenbogens zerstört, indem er ihn in Spektralfarben zerlegte. Dawkins widerspricht Keats und meint, Naturwissenschaft sei „eine Inspiration für große Dichtung oder sollte es zumindest sein“ (S. 10), aber Genaueres dazu erfährt man nicht. Allenfalls Dinge, die wir schon vor 100 Jahren gehört haben (wie denn insgesamt bei Wilson wie bei Dawkins vieles an die Welt von Haeckel und Bölsche erinnert): „Richtig verstandene Naturwissenschaft läßt Raum für Poesie. Sie sollte sich nützlicher Analogien und Metaphern bedienen, die unsere Phantasie anregen“ usw. (S. 239.)

[3] Baptist Bedaux und Brett Cooke (Hgg.), Sociobiology and the Arts. Amsterdam 1999; Brett Cooke und Frederick Turner (Hgg.), Biopoetics. Evolutionary Explorations in the Arts. Lexington 1999.

[4] Ebd., S. 13.

[5] Ebd.

[6] 1979 hat er zusammen mit Richard Lewontin die Bogenzwickel (›Spandrels‹, ›Spandrillen‹) von San Marco in Venedig als Bildspender für eine Analogie entdeckt. Bogenzwickel sind die Felder, die zwischen zwei Säulenbogen entstehen, etwa in der Form eines auf der Spitze stehenden Dreiecks, von der Konstruktion her gesehen ein bloßes Nebenprodukt (by-product), aber an und in San Marco mit reichen Mosaiken geschmückt. Das sei das Verhältnis von Biologie und Kultur: Die Evolution schaffe zufällig leere Felder, die dann kreativ genutzt werden können. Aber wozu? Stephen J. Gould und Richard C. Lewontin, The Spandrels of San Marco and the Panglossian Paradigm: A Critique of the Adaptationist Programme. In: Proceedings of the Royal Society of London B 205 (1979), S. 581-598.

[7] Steven Pinker, Wie das Denken im Kopf entsteht. München 1998 [How the Mind Works 1994.]

[8] Ebd., S. 656.

[9] Grundlegend: John Tooby und Leda Cosmides: The Past Explains the Present. Emotional Adaptations and the Structure of Ancestral Environments. In: Ethology and Sociobiology 11 (1990), S. 375-423.

[10] Das Grundbuch der Gruppe ist Jerome H. Barkow, Leda Cosmides und John Tooby (Hgg.), The Adapted Mind. Evolutionary Psychology and the Generation of Culture. New York 1992. Differenzen zu anderen evolutionsbiologischen Zugängen werden dort behandelt von Donald Symons, On the use and misuse of darwinism, S. 137-162, zur Soziobiologie speziell S. 146ff. – Eine populäre Darstellung Robert Wright, The Moral Animal. Evolutionary Psychology and Everyday Life. New York 1994.– Es gibt auch bereits ein Lehrbuch für Undergraduates: Charles Crawford und Dennis L. Krebs (Hgg.), Handbook of Evolutionary Psychology. Ideas, Issuses, and Applications. Mahwah/London 1998. – Populär und auch in deutscher Übersetzung greifbar ist Steven Pinker, Wie das Denken im Kopf entsteht. München 1998 [How the Mind Works 1994]

[11] Von Streß als Konstituens neuerer Kultur handelt Heiner Mühlmann, Die Natur der Kulturen. Entwurf einer kulturgenetischen Theorie. Wien/New York 1996.

[12] Ich beziehe meine Informationen aus Klaus Immelmann, Klaus R. Scherer, Christian Vogel und Peter Schmook (Hgg.), Psychobiologie. Grundlagen des Verhaltens. Stuttgart/New York 1988; Norbert Bischof, Das Rätsel Ödipus. Die biologischen Wurzeln des Urkonflikts von Intimität und Autonomie. München 51997; Eric R. Kandel, James H. Schwartz, Thomas M. Jessel (Hgg.), Neurowissenschaften. Eine Einführung. Heidelberg, Berlin, Oxford 1996 [Essentials of Neural Science and Behavior, 1995]; Gerald Hüther, Biologie der Angst. Wie aus Streß Gefühle werden. Göttingen 2001; Robert M. Sapolsky, The Physiology and Pathophysiology of Unhappiness. In: Daniel Kahnemann, Ed Diener und Norbert Schwarz, Well-Being. The Foundations of Hedonic Psychology. New York 1999; Gerhard Roth, Fühlen, Denken, Handeln. Frankfurt/M. 2001, S. 283-290.

[13] Daniel L. Schacter, Wir sind Erinnerung. Gedächtnis und Persönlichkeit. Reinbek 1999 [Searching for Memory, 1996], S. 393.

[14] Charles Darwin, Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl. Übers. von Carl W. Neumann. 2 Bde. Stuttgart 1963, S.101 [The Origin of Species by Means of Natural Selection, 1859], S. 101.

[15] Hüther, Biologie der Angst, S. 25.

[16] Das ist der sachliche Kern von Richard Dawkins’ populär gewordener und irreführender Metapher vom ‚egoistischen Gen’. Gene sind nicht egoistisch, denn sie haben keinerlei Handlungswahl. Es geht vielmehr darum, daß Eigenschaften, die die Fortpflanzung begünstigen, vermehrt fortgepflanzt werden, also um einen Selbstverstärkungseffekt.

[17] Gottfried Lischke, Ist Aggression böse? Zur Ethologie, Soziobiologie und Psychologie des Kampfes und der Moral. In: Carsten Colpe und Wilhelm Schmidt-Biggemann (Hgg.), Das Böse. Eine historische Phänomenologie des Unerklärlichen. Frankfurt/M. 1993, S. 274-299, S. 289.

[18] Zum meßbar beruhigenden Effekt sozialer Zuwendung bei Affen vgl. Eric B. Keverne, N. D. Martinez und B. Tuite: Beta-endorphine concentration in cerebrospinal fluid of monkeys are influenced by grooming relationship. In: Psychoneuroendocrinology 14 (1989), S. 155-161.

[19] An Rhesusaffen wurden entsprechende Deprivationsexperimente durchgeführt (milchgebendes Drahtgestell oder Frotteestoff als Mutterersatz) die massive Verhaltensstörungen produzierten. Dazu speziell Harry F. Harlow, Learning To Love. New York 1974.

[20] Man sollte vielleicht einmal die Standardbeispiele für Evolutionsstabile Strategien (ESS) – das Verhältnis von ›Tauben‹ und ›Falken‹, Kommentkämpfern und Beschädigungskämpfern, kooperierenden und täuschenden Individuen – um den Fall der streßgeplagten Leistungsträger und der glücklichen Nutznießer erweitern. Seit den Tagen der Eugenik gehört es zu den intellektuellen Schreckensbildern, daß gerade die weniger Leistungsfähigen sich besonders stark vermehren. Aber dadurch wird die generative Trägheit der getressten Leistungsträger ausgeglichen.

[21] Volker Sommer, Die Vergangenheit einer Illusion. Religion aus evolutionsbiologischer Sicht. In: Eckart Voland (Hg.), Evolution und Anpassung. Warum die Vergangenheit die Gegenwart erklärt. Christian Vogel zum 60. Geburtstag. Stuttgart 1993, S. 229-248, S. 246.

[22] Das Standardbuch zum Thema ist nun Thomas Anz, Literatur und Lust. Glück und Unglück beim Lesen. München 1998. –Anz verwendet den Begriff aber selbst kaum zur Erklärung, sondern gibt eine Art begriffsgeschichtlicher Paraphrase.

[23] Bahnbrechend waren namentlich die Arbeiten von James Olds, beginnend mit: James Olds und Paul Milner, Positive Reinforcement Produced by Electrical Stimulation of Septal Area and Other Regions of Rat Brain. In: Journal of Comparative Physiology and Psychology 47 (1954), S. 419-427. Seither wurde die ›Lust-Forschung‹ ein großer Forschungszweig, der allerdings stärker der Wirkungsweise von Drogen nachging als der von Kunst und Literatur.

[24] Es besteht sogar Aussicht, daß dieser Zustand neurophysiologisch nachgewiesen werden kann. So wurden mit einem Positronen Emissions Tomographen (PET) Hirnaktivierungen beim Hören von Musik (90 Sekunden Rachmaninoffs 3. Klavierkonzert bzw. Barbers Adagio für Streicher) aufgezeichnet. Es wurden Aktivierungen von Hirnregionen festgestellt, die in anderen Studien für „euphoria and/or pleasant emotion“ identifiziert wurden, namentlich für Essen, Sex und Drogengebrauch. Anne J. Blood und Robert J. Zatorre, Intensely Pleasurable Responses to Music Correlate with Activity in Brain Regions Implicated in Reward and Emotion. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 98, 20 (20. Sept. 2001), S. 11818-11823.

[25] John Tooby und Leda Cosmides, Does Beauty Build Adapted Minds? In: Substance. A Review of Theory and Literary Criticism. 94/95, Bd. 30, Nrr. 1 und 2 (Special Issue: On the Origin of Fictions) 2001, S. 6-25.

[26] Zu diesem Übergang speziell Stephanie Owens und Francis Steen, Evolution’s Pedagogy: An Adaptationist Model of Pretense and Entertainment. In: Journal of Cognition and Culture 1 (2001), S. 289-321.

[27] Heide Sbrzesny, Die Spiele der !Ko-Buschleute. München/Zürich 1976, hat die Rolle der Zuschauer nicht eigens thematisiert. Es hat aber den Anschein, daß Zuschauer sich bei den Spielen dieses Jäger- und Sammlervolkes nur dann bilden, wenn es sich um geschlechts- oder altersspezifische Spiele handelt, also bestimmte Personen von der aktiven Teilnahme ausgeschlossen sind. Daß z. B. gesunde junge Männer anderen jungen Männern einfach beim Spiel zusehen, ist nicht belegt.

[28] Man kann eine bei Evolutionsbioligen geläufige Unterscheidung anwenden: Das Spiel mag zwar dem ultimaten Zweck einer Einübung von Fertigkeiten dienen, aber der proximate Beweggrund ist die Lust.

[30] Zur grundsätzlichen Beziehung von Inhalts- und Ausdrucksseite auf der Ebene jenseits der einzelnen Wörter vgl. Peter von Polenz, Deutsche Satzsemantik. Berlin/New York 1985. Zum Ausdruck der Sprechereinstellung bes. S. 212ff.

[31] Volker Heeschen, Ninye bun. Mythen, Erzählungen, Lieder und Märchen der Eipo im zentralen Bergland von Inanjaya (West-Neuguinea), Indonesien. Berlin 1990, S. 334.

[32] Volker Heeschen, The Narration ›Instinct‹. Everyday Talk and Aesthetic Forms of Communication (in Communities of the New Guinean Mountains). In: Herbert Knobloch und Helga Kotthoff (Hgg.), Verbal Art across Cultures. The Aesthetics and Proto-Aesthetics of Communication. Tübingen S. 145.

[33] Heeschen, Humanethologische Aspekte der Sprachevolution, die Formulierung „Hiatusvergrößerung“ S. 231.

[34] S. 232, mit Verweis auf Thomas J. Scheff: Catharsis in Healing, Ritual, and Drama, Berkeley ca. 1979.

[35] Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. Hg. von Raymund Schmidt. Hamburg 1956, S. 5. Vorrede zur ersten Ausgabe.

[36] Für die evolutionsbiologische Erklärung dieses Sachverhalts muß ich auf das eingangs erwähnte Projekt verweisen.

[37] Vgl. Karl Eibl, Die Entstehung der Poesie. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1995, dort das Kapitel „Entstehungsbedingungen der Poesie – anthropologisch“, sowie Karl Eibl, Strukturierte Nichtwelten. Zur Biologie der Poesie, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 18 (1993), H. 1, S. 1-36.

[38] Franz Irsigler, Aspekte von Angst und Massenhysterie im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. In: Günter Birtsch und Meinhard Schröder (Hgg.), Angst – ein individuelles und soziales Phänomen. Öffentliche Ringvorlesung Wintersemester 1987/88. Trierer Beiträge 21, September 1991, S. 37-45.

[39] Ein Zentralbegriff von Niklas Luhmann, Funktion der Religion. Frankfurt/M. 1982.

[40] 17. März 1832, z. B. in der ›Frankfurter Ausgabe‹, II. Abteilung, Bd. 11, S. 550.